Presseartikel
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2022
Die Zinswende kommt an – bei Hauskäufern
Wegen steigender Inflationsraten treten Zentralbanken weltweit auf die geldpolitische Bremse. Die Folge sind steigende Zinsen, auch in der Euro-Zone - die zuerst Immobilienkäufer zu spüren bekommen.
Von Christoph Rottwilm
Vielleicht müssen die Zinsen früher oder in einem schnelleren Tempo steigen - das hört sich für Sparer gut an, für Kreditnehmer dagegen weniger. Der Gedanke kam zuletzt einigen Vertretern der US-Notenbank Fed, wie aus dem Protokoll der jüngsten Fed-Sitzung hervorgeht.
Der Hintergrund ist bekannt: In den USA wie auch in Europa steigen seit Monaten die Inflationsraten. Hierzulande etwa kletterte die Preissteigerungsrate im vergangenen Jahr auf 3,1 Prozent, den höchsten Wert seit 1993. Die US-Zentralbank gehört zusammen beispielsweise mit der Bank of England zu den Instituten, die dagegen besonders aktiv vorgehen, mit einer Eindämmung der Liquidität an den Märkten sowie dem Dreh an der Zinsschraube. Die Europäische Zentralbank (EZB) ist bislang zwar noch zurückhaltend, könnte ihre Linie aber auch ändern, falls sich die Inflationsraten auch in der Euro-Zone länger auf hohem Niveau halten sollten. Der Anstieg der Euro-Inflation auf 5 Prozent im Dezember etwa kam bereits überraschend. EZB-Direktorin Isabel Schnabel (59) machte daraufhin bereit deutlich, dass ihr Institut womöglich reagieren muss.
An den Finanzmärkten jedenfalls macht sich die Wende in der weltweiten Geldpolitik bereits in Form eines steigenden Zinsniveaus bemerkbar. Sowohl in den USA als auch in Deutschland haben die Renditen zehnjähriger Staatsanleihen, die als richtungweisend gelten, zuletzt merklich angezogen. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe etwa beträgt gegenwärtig etwa minus 0,11 Prozent. Im Dezember waren es noch minus 0,4 Prozent, und vor etwa einem Jahr betrug die Rendite minus 0,55 Prozent.
US-Staatsanleihen mit 1,7 Prozent Zinsen
US-Staatsanleihen blieb der Sturz in den negativen Renditebereich bislang erspart. Mitte 2020 sank die Verzinsung der zehnjährigen Staatspapiere in den USA jedoch ebenfalls auf historisch niedrige 0,5 Prozent. Inzwischen haben sich die Anleihezinsen auf aktuell etwa 1,7 Prozent wieder deutlich erholt. Einer Umfrage der "FAZ" zufolge erwarten Analysten von Banken zudem mehrheitlich sowohl diesseits wie auch jenseits des Atlantiks in den kommenden Monaten ein weiter steigendes Zinsniveau.
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Stellt sich die Frage: Wann kommt diese Zinsentwicklung auch bei Privatleuten, also bei Sparern und Kreditnehmern an? Die Antwort fällt zweigeteilt aus: Kunden von Banken und Sparkassen, werden vorläufig wohl weiter kaum Zinsen geboten bekommen. Im Gegenteil: Immer mehr Institute verlangen Negativzinsen, lassen ihre Kunden also dafür bezahlen, dass sie deren Geld aufbewahren. Daran dürfte sich auf absehbare Zeit kaum etwas ändern. Denn das Zinsniveau deutscher Geldinstitute richtet sich zum Großteil nach den Leitzinsen der EZB, und die Zentralbank will nach Angaben ihrer Präsidentin Christine Lagarde (66) zumindest im laufenden Jahr ihre Leitzinsen noch nicht antasten.
"Die Zinsen werden auch im Euroraum steigen in diesem Jahr", bestätigt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, auf Anfrage des manager magazins. "Das betrifft aber noch nicht das Sparbuch oder das Girokonto. Denn diese hängen am Leitzins der EZB. Und die ist weiterhin sehr zögerlich mit ihrem Zinsinstrument." Mit einem Wegfall der negativen Zinsen als Grundlage für die Verwahrentgelte sollte man wohl erst in zwei Jahren rechnen, meint Kater.
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Anders sieht es dagegen bei der Kreditverzinsung aus. Zwar gibt es auch Ratenkredite, deren Verzinsung eng mit der EZB-Politik zusammenhängt. Bei solchen Krediten dürfte es vorerst ebenfalls kaum Bewegung bei den Zinsen geben, sagt Max Herbst, Zinsexperte und Chef der Finanz-Informationsplattform FMH.
"Anders sieht es bei den Bauzinsen aus", meint jedoch der Fachmann. "Die orientieren sich an den Renditen der Bundesanleihe und diese dürften wegen der weiter steigenden Inflationsraten ins Plus drehen." Folge: Laut Herbst ist im gleichen Umfang ein Anstieg der Zinsen auf Bau- und Immobilienkredite zu erwarten. "Das Baugeld für 10 Jahre fest dürfte sich dann bei etwa 1,5 bis 1,75 Prozent einpendeln", so der FMH-Chef.
Zum Vergleich: Die Bauzinsen sind schon in den vergangenen Wochen merklich angestiegen, wie die Übersicht von FMH zeigt. Zeigte der FMH-Index noch vor rund einem Jahr ein Zinsniveau bei zehnjähriger Laufzeit von etwa 0,65 Prozent, so sind es aktuell etwa 0,95 Prozent. Laut Herbst ist in den kommenden Monaten also ein Anstieg um weitere 0,5 bis 0,75 Prozentpunkte zu erwarten.
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Ähnlich äußert sich Moritz Kraneis, Geschäftsführer des Wohnimmobilien-Investors Deutsche Zinshaus - wenngleich seine Erwartungen etwas zurückhaltender erscheinen. "Zwar hat die EZB keine konkreten Zinsschritte angekündigt, angesichts der Inflation und des Auslaufens des Anleihenkaufes im Zuge des Covid-Rettungspakets ist aber von steigenden Zinsen auszugehen", so Kraneis gegenüber dem manager magazin.
Die Zinsschritte werden seiner Ansicht nach allerdings überschaubar ausfallen - aber immerhin groß genug, um für Bewegung bei den Hypothekenzinsen zu sorgen. "Wir gehen davon aus, dass im Zuge der Zinserhöhungen mit einem Anstieg der Bauzinsen um rund 0,25 Prozentpunkte zu rechnen ist", sagt Kraneis. "In unserem Worst-Case-Szenario gehen wir von maximal 0,5 Prozentpunkten aus."
Auch Kurt Neuwirth vom Immobilienfinanzierer Neuwirth Finance in Starnberg sagt: "Die langfristigen Immobilienkredite werden um 0,5 Prozentpunkte steigen können." Neuwirth glaubt allerdings, dass es danach mit den Zinsen wieder abwärts gehen kann.
Die Frage ist: Was folgt daraus? Während der vergangenen Jahre war immer wieder zu hören, die niedrigen Zinsen seien der entscheidende Treiber des Immobilienbooms und der damit einhergehenden Preissteigerungen bei Wohnungen und Häusern. Sobald die Zinsen wieder steigen, so der Tenor, könnte sich der Trend umkehren - und die Immobilienpreise wieder fallen. Steht das nun bevor?
In diese Richtung argumentiert angesichts der aktuellen Entwicklung Maximilian Könen, Managing Director Investments beim alternativen Immobilienfinanzierer Linus Digital Finance.
Die Bauzinsen seien zwar etwas teurer geworden als in den vergangenen beiden Jahren, aber es gebe weiterhin historisch attraktive Finanzierungskonditionen, so Könen. Bei weiteren Zinssteigerungen drohen Immobilienkäufern nun jedoch Probleme, so der Experte: Ohne sinkende Immobilienpreise seien "attraktive Kapitaldienste kaum darzustellen".
Konkret heißt das: Eine Erhöhung der langfristigen Zinsen um einen Prozentpunkt wäre nach Ansicht Könens für Immobilienkäufer noch zu vertragen. Bei Zinssätzen darüber hinaus würde es jedoch unattraktiver für Häuslebauer, Immobilien zu den heutigen Preisen zu kaufen - die Preise müssten mithin nachgeben, um den Markt in Gang zu halten.
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Doch der Immobilienmarkt ist - anders als etwa die Aktienbörse - nicht sehr beweglich. Ein Preisrückgang kann also dauern. "Ich glaube, dass die Preise etwas träge sind und erst mit etwas zeitlichem Verzug von sechs bis zwölf Monaten reagieren", so Könen. Denn derzeit säßen sowohl institutionelle wie auch Privatinvestoren noch auf zu viel Kapital. Dieses Geld müsse zunächst investiert werden, bevor die Immobilienpreise stärker ins Rutschen kommen könnten.
Ähnlich sieht es Michael Piontek, Finanzvorstand bei der Polis Immobilien AG. Steigende Zinsen können eine preishemmende Wirkungen auf Immobilien haben, sagt er. Allerdings aktuell weniger aufgrund steigender Kreditzinsen, da sehr viel Eigenkapital eingesetzt werde.
Kurz gesagt: Das Baugeld wird zwar in nächster Zeit weiter teurer werden. Mit einem Rückgang der Immobilienpreise ist jedoch so schnell dennoch nicht zu rechnen.
Diese Artikel erschien ursprünglich bei manager-magazin.de.