Mehr als ein Lückenbüßer – Private Real Estate Debt etabliert sich

Der Markt für alternative Immobilienfinanzierungen wächst und die Corona-Pandemie hat diesen Trend beschleunigt. Banken ziehen sich zunehmend aus Bereichen zurück und Private Debt springt in die Bresche. Die Branche ist in Bewegung, doch bestimmte Trends werden bereits sichtbar. Wo geht die Reise hin, werden private Kreditgeber den Banken bei der Immobilienfinanzierung den Rang ablaufen? Eine Einschätzung von Maximilian Könen von Linus Digital Finance.

Dass alternative Finanzierer zunehmend in den Markt für Immobilienkredite vordringen, ist kein neuer Trend. Ende 2019 lag das globale Volumen von Private Real Estate Debt, also von anderen als Banken ausgegebenen Immobilienkreditfinanzierungen, laut dem Informationsdienstleister Preqin bei 129 Milliarden Dollar – eine Vervierfachung innerhalb von fünf Jahren. Ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung ist der regulatorische Druck, der auf den Banken lastet und der weiter zunimmt.

Alternative Anbieter nutzen Renditechancen
Gerade bei Projektfinanzierungen mit höheren Finanzierungsquoten wurden die Banken schon vor Beginn der Corona-Pandemie zunehmend nervöser. Angesichts anhaltend hohen Finanzierungsbedarfs für Immobilienprojekte haben alternative Finanzierer wie Private-Debt-Fonds in der Lücke gute Renditechancen erkannt und sich speziell für Projekte mit höheren Loan-to-Values angeboten, an die sich die Banken immer seltener herantrauten. Dabei kam ihnen auch entgegen, dass sie schneller reagieren konnten als traditionelle Kreditinstitute – sei es dank kürzerer Entscheidungswege, oder weil sie in neue technische Lösungen investiert hatten, um in kurzer Zeit Risiken zu bepreisen.

Die Pandemie gab dieser Entwicklung einen Schub. Die neue Situation hat die Banken noch einmal zurückhaltender werden lassen – allerdings durchaus in unterschiedlichem Maße je nach Bereich. Während die Banken Wohnprojekte weiterhin gerne finanzieren, ziehen sie sich etwa aus Büro- und Logistikprojekten mit höheren Beleihungsausläufen zunehmend zurück – obwohl Logistikimmobilien weiterhin Hochkonjunktur haben. Alternative Finanzierer füllen diese Lücke nur zu gern. Das gilt – bei entsprechender Risikovergütung – auch für Bereiche, die die Banken scheuen, weil sie wie etwa der Non-Food-Einzelhandel stark unter der Pandemie leiden.

Auf angestammtem Terrain der Banken
Zunehmend tummeln sich alternative Finanzierer aber auch in Bereichen, die die Banken immer noch als ihr angestammtes Geschäft sehen. Engagierten sie sich zuvor eher mit risikoreicheren, höhermargigen Instrumenten wie nachrangigen Krediten oder Mezzanine-Kapital, bieten sie sich immer öfter auch im Senior-Bereich an, wo sie den Kreditinstituten Konkurrenz machen. Das geschieht auch mit sogenannten Whole-Loan-Finanzierungen, bei denen alternative Finanzierer sowohl den nachrangigen als auch den Senior-Anteil aus einer Hand anbieten.

Hier hat der Finanzierer, sollte der Kreditnehmer in Schwierigkeiten geraten, über die erstrangige Grundschuld Zugriff auf die als Sicherheit dienende Immobilie. Dass sich immer mehr alternative Kreditgeber in diesen margenärmeren Bereich begeben, hat auch damit zu tun, dass viele von ihnen große Fonds oder Pensionskassen sind, die über viel Erfahrung mit Direktinvestments in Immobilien verfügen. Im Fall des Falles müssen sie nicht erst einen Käufer für das Objekt suchen, sondern können es einfach in ihren eigenen Bestand nehmen oder ihrem direkten Netzwerk anbieten.

Dass alternative Akteure ihre Kreise immer weiter ziehen, zeigt sich auch darin, dass sie nicht nur Projekte, sondern immer öfter auch Portfolioakquisitionen finanzieren. Das hat einerseits damit zu tun, dass es auch hier Bereiche gibt, die den Banken zunehmend zu heiß und zu prüfungsaufwendig werden. Andererseits etablieren sich die Alternativen auch in Bereichen, die bislang als typisches Bankenspielfeld galten, zunehmend als ebenbürtige Konkurrenten – oder sogar als bevorzugte Partner der Kreditnehmer.

Insbesondere Transaktionsgeschwindigkeit ist ein Vorteil, den viele Private-Debt-Anbieter den Kreditinstituten voraushaben. Anstatt Monaten brauchen sie nicht selten nur wenige Wochen, um eine Kreditentscheidung zu treffen und das Kapital auszuzahlen. Gerade in Umbruchzeiten ist Geschwindigkeit oft der Faktor, der darüber entscheidet, ob eine Opportunität ergriffen werden kann oder nicht.

Wachsende Anteile an den Portfolios
Viele große institutionelle Investoren, darunter auch Versicherer, engagieren sich schon seit langem im Bereich Private Debt. Aber auch kleinere, wie Stiftungen oder Family Offices, springen wegen der oft attraktiven Konditionen auf den Zug auf. Der Anteil an den Portfolios, den institutionelle Investoren in Private Real Estate Debt anlegen, ist zwar noch verhältnismäßig klein, doch er wächst.

Für Deutschland hat der Bundesverband Alternative Investments ermittelt, dass institutionelle Investoren durchschnittlich rund 1,3 Prozent ihrer Vermögen in Private Real Estate Debt investiert haben. Knapp die Hälfte der Institutionellen ist bereits in der Assetklasse engagiert, weitere acht Prozent planen dies in den nächsten drei Jahren. Rund 40 Prozent der Befragten haben im vergangenen Jahr ihre Investments in Private Real Estate Debt erhöht, und eine etwa genauso hohe Quote plant dies auch für die kommenden zwölf Monate.

Nicht nur deutsche Investoren engagieren sich in Deutschland mit Private Real Estate Debt. Der deutsche Immobilienmarkt genießt, trotz gestiegener Preise und bei allen Unterschieden in seinen Bereichen, international weiterhin den Status eines relativ sicheren Hafens. Investoren aus Asien haben in der Vergangenheit häufig direkt in deutsche Immobilien investiert. Die pandemiebedingten Reisebeschränkungen haben solche Engagements erheblich schwieriger gemacht. Aus diesem Grund bemühen sich gerade asiatische Investoren zunehmend, über Private Debt am deutschen Markt teilzuhaben.

Eine weitere spezielle Gruppe sind Investoren aus der Schweiz. Im Nachbarland herrscht ein besonderer Anlagenotstand aufgrund extrem hoher Strafzinsen auf Guthaben. Dies hat die Schmerzgrenze Schweizer Investoren verschoben, die nun auf der Suche nach Rendite auch auf den deutschen Private-Real-Estate-Debt-Markt drängen.

Gekommen, um zu bleiben
Ein Ende des Trends zu mehr Private Real Estate Debt ist nicht in Sicht. Angesichts immer engerer regulatorischer Daumenschrauben und weiterhin hoher Anteile fauler Kredite in ihren Büchern müssen die traditionellen Kreditinstitute weiter Vorsicht walten lassen. Die Corona-Pandemie ist immer noch nicht vorüber, und das Bewusstsein der Märkte für die Möglichkeit weiterer Verwerfungen ist geschärft.

Zugleich sind die Immobilienmärkte auf weiteres Wachstum gepolt – vor allem, aber nicht nur, in Deutschland. Damit finden alternative Finanzierer – große und kleine, nationale und internationale – weiterhin gute Investmentgelegenheiten. Mit zunehmender Expertise und spezifischen Vorteilen gegenüber den eher trägen Banken werden sie sich einen festen Platz auf dem Markt für Immobilienfinanzierungen sichern.  


Über den Autor:
Maximilian Könen ist seit knapp zwei Jahren Geschäftsführer von Linus Digital Finance, einem Anbieter von daten- und technologiegesteuerten Finanzierungslösungen für Immobilienprojekte. Vor dieser Zeit war er unter anderem bei der Deutschen Bank, KPMG und der Sparkassen Köln/Bonn tätig.

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